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Bericht über ein Zeitzeugengespräch mit Monika Goldwasser

Monika Goldwasser

Liebes Tagebuch,

 

heute habe ich eine unglaublich starke Frau getroffen. Ihr Name ist Monika Goldwasser und sie ist eine Überlebende des Holocausts. Mit ihren Haaren, welche zu einem Dutt gebunden waren, der blauen Sonnenbrille und ihrem goldglitzernden Rucksack wirkte sie wie eine Frau, welche nur Freude und Glück in ihrem Leben erfahren hatte, doch ich wusste, dass dem nicht so war. Sie erzählte uns die Geschichte ihres Lebens.

Kapitel 1

Sie wurde 1941 in Myślenice als Tochter zweier Juden geboren. Ihre Eltern waren Salomea und Adam Goldwasser. Die gesamte Familie sollte, wenige Monate nach der Geburt von Monika, nach Skawina deportiert werden. Ihre Eltern hatten keine Möglichkeit zu fliehen, doch taten sie alles in ihrer Macht Stehende, um ihre Tochter zu retten. So kam es dazu, dass am Tag der Deportation anstatt ihrer Tochter Monika eine Puppe mit Kinderkleidung in den Armen von Salomea lag. Ihre Eltern und, wie sie später noch herausfand, weitere ihrer Verwandten wurden in Skawina bei einer Massenerschießung getötet.

Kapitel 2

Monika hatten sie bei einer Bauernfamilie versteckt. Doch bliebt sie dort nicht lange. Nur wenige Wochen später wurde sie zum Kloster der Ursulinenschwestern gebracht, welche das Krakauer Waisenhaus führten. Monika wurde von einem nicht-jüdischen Ehepaar adoptiert. Als Folge der Adoption waren die Eltern nun gezwungen, sich zu verstecken und ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Sie gaben Monika ein Zuhause und versuchten ihr ein glückliches Leben zu ermöglichen. Dass Monika nicht ihre leibliche Tochter war, hielten sie vor ihr geheim.

Kapitel 3

Mit 11 Jahren fand Monika in einer Schreibtischschublade ein Dokument, auf dem ihr Geburtsname, der ihrer Eltern und andere Informationen standen. Dieses Dokument geriet jedoch vorübergehend in Vergessenheit und fiel Monika erst Jahre später wieder ein, als sie schon von ihrer Herkunft wusste. (Sie erklärte uns, dass dies sozusagen ihre Geburtsurkunde war. Denn zu dieser Zeit wurden jüdischen Kindern nicht von ihren Eltern im System registriert, da sie die Nationalsozialisten nicht auf ihre Kinder aufmerksam machen wollten. Natürlich hatten die Nationalsozialisten ihre eigenen Wege, um über alle jüdischen Kinder Buch zu führen.)

Kapitel 4

Erst mit 22 Jahren erfuhr sie über ihre jüdische Herkunft. Ihre Adoptivmütter erzählte ihr am Sterbebett alles, was sie über die Herkunft ihrer Tochter wusste. Monika war schockiert und hielt ihre Wurzel geheim, nicht einmal ihrem späteren Ehemann erzählte sie davon.

Im Jahr 1990 geschah etwas Unerwartetes. Im Fernsehen suchte eine Jüdin, die es geschafft hatte nach Israel zu fliehen, ihre Nichte. Wie man es sich vielleicht schon denken kann, war Monika damit gemeint. Ihre Tante hatte damals erfahren, dass die Tochter ihrer Schwester nicht erschossen wurde, sondern dass es nur eine Puppe war, welche an ihrer Stelle von Salomea gehalten wurde. Nach all diesen Jahren wollte sie sich nun auf die Suche nach ihrer Nichte machen. Etwa zur gleichen Zeit erzählte sie ihrem Ehemann alles, was sie über ihre Herkunft wusste, wollte aber mit ihrer Geschichte nicht an in die Öffentlichkeit gehen. Monika konnte durch den Fernsehbeitrag, indem ihre Tante vorkam, Kontakt zu ihr aufbauen und sie arrangierten ein Treffen.

Kapitel 5

Durch dieses Treffen entstand das Bedürfnis in ihr, mehr über ihre Familie und Abstammung zu erfahren. Monika nahm den Nachnamen ihrer leiblichen Eltern an. Sie beantragte die Medaille der Gerechten unter den Völkern für ihre Adoptiveltern und wollte ihnen so für all das, was sie für sie getan und geopfert hatten, danken. Dem Antrag wurde stattgegeben und so nahm Monika die Medaille für sie entgegen und ehrte damit ihre leider schon verstorbenen Adoptiveltern. Nicht zuletzt fand sie heraus, dass sie Angehörige väterlicherseits in den USA besaß. Als sie diese besuchte und ihnen ihre Geschichte erzählte, stellte sie fest, dass das Wissen über den Holocaust nicht so weit verbreitet war, wie sie es angenommen hat. Sie beschloss ihre Geschichte doch der Öffentlichkeit zu erzählen (und somit hatten auch wir die Möglichkeit sie zu treffen und uns ihre Lebensgeschichte erzählen zu lassen.)

Kapitel 6

Wenn ich daran denke, dass uns in spätestens 20 Jahren keine Zeitzeugen mehr ihre Geschichte erzählen können, wird mir wieder bewusst, was für ein Privileg es ist diese Chance zu haben, dass jemand aus Fleisch und Blut vor dir steht und seine/ihre Geschichte erzählt und du sogar die Möglichkeit hast Fragen zu stellen. Für die nächsten Generationen werden das alles nur Geschichten auf Papier sein. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir so viel dokumentieren, wie möglich, damit auch die nächsten Generationen die Chance haben, so gut es geht, lebensnah über die Fehler der Vergangenheit informiert zu werden und die individuellen Geschichten der einzelnen Personen zu erfahren, die darunter leiden mussten. Meine Generation trägt vielleicht keine Schuld an dem, was passiert ist, aber wir haben die Pflicht, die Vergangenheit und die dazugehörigen Geschichten vor dem Vergessen zu bewahren. Deshalb liebes Tagebuch bin ich stolz darauf, dass ich meinen Teil dazu beitrage, dass Monika Goldwassers Geschichte nicht in Vergessenheit gerät und für folgende Generationen zugänglich ist.